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Bonner Erklärung 2012: „Provisions- und Courtagevergütung – ein bewährtes Vergütungssystem"

Positionen der deutschen Versicherungsvertreter für eine Beibehaltung des bewährten Vergütungssystems in Deutschland

Die Vorsitzenden der Vertretervereinigungen der deutschen Versicherungsunternehmen, das Präsidium des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) sowie der Arbeitskreis Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz e.V. (AVV), die zusammen rund 40.000 Versicherungsvermittler in Deutschland vertreten und damit die weitaus größte Interessenvertretung der Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland und Europa sind, verabschiedeten am 11. September 2012 in Bonn die nachstehenden Positionen zur bewährten Provisionsvergütung in Deutschland.

1. Provisions- und Courtagevergütung hat sich in Deutschland bewährt
In der Bundesrepublik Deutschland stehen über 250.000 registrierte Versicherungsvermittler, die ganz überwiegend für Vermittlungsleistungen von den Versicherungsunternehmen eine Provision bzw. eine Courtage beziehen, ca. 240 registrierten Versicherungsberatern gegenüber, die gegen ein Honorar, das der Kunde zu zahlen hat, ihre Beratungsleistungen anbieten.

Teilweise wird vertreten, dass die Provisionsvergütung Ursache der Finanzkrise war und gleichzeitig wird das Ende des provisionsorientierten Verkaufs gefordert. Die weltweite Finanzkrise wurde nicht durch die Vermittlung von Versicherungen ausgelöst, sondern durch Banken und deren Aktivitäten beim Vertrieb von dubiosen Finanzprodukten!

Eine Abschaffung der Provisionsvergütung zugunsten der Honorarberatung kann kein Mittel zu Vermeidung einer Finanzkrise sein. Vorstellungen, dass durch mehr Honorarberatungen oder Trennung von Beratung und Vermittlung die weltweite Finanzkrise sich nicht wiederholen könne, sind abwegig und durch nichts belegbar. Im Gegenteil: Beim Ombudsmann für Versicherungen sanken im Jahr 2011 die Beschwerden gegen Versicherungsvermittler erneut um 1,3 % (Vorjahr 5 %) auf 449 Beschwerden, wovon lediglich 143 zulässig waren. Bei jährlich ca. 1 Mio. Versicherungsvermittlungen sind Beratungsfehler nicht einmal in vollen Promillezahlen anzugeben.

Auch die Annahme, dass Honorarberatung vor Schlecht- und Falschberatung schützt, ist nachgewiesenermaßen falsch. Darüber hinaus würde eine Einführung eines ausschließlich einseitigen honorarbasierten Systems den Verbraucher verunsichern. Die Folgen der Umsetzung sind nicht abschätzbar.

Der Verbraucher neigt in der Regel nicht dazu, Daseinsabsicherungs‐ und Altersvorsorgeprodukte aktiv nachzufragen. Gerade bei Empfängern niedriger und mittlerer Einkommen werden diese Themen verdrängt. Die Honorarberatung ist ein ungeeignetes Mittel gegen die drohende Altersarmut. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein und widerspricht den Regeln des Verbraucherschutzes. Soweit Leistungsangebote der Produktanbieter nicht von sich aus auf Nachfrage stoßen, kann allein durch staatliche Anreize ein Erfolg nicht herbeigeführt werden. Durch falsche Regulierungsschritte droht eine Überforderung der staatlichen Sicherungssysteme, die schon heute nicht mehr ausreichend sind. Somit nimmt der Vermittler einen sozialpolitischen Auftrag im Rahmen der Daseinsfürsorge wahr. Die deutschen Versicherungsvertreter stellen eine tragende Säule des Sozialstaates dar. Forderungen, die bestehenden Strukturen wesentlich zu ändern, legen damit eine Axt an den Sozialstaat selbst.

Die ausschließliche Honorarberatung bedeutet eine umfassende Novellierung des Provisionsrechts, die mit erheblichen Umstellungskosten, Steuermindereinnahmen bei der Versicherungssteuer sowie Bürokratieaufwand für Wirtschaft und Verwaltung einhergehen würde. Mit der Provision ist nicht nur der Abschluss, sondern auch die weitere Beratung sowie Schadensbearbeitung und Betreuung während der gesamten Laufzeit des Vertrags abgegolten, die bei einer Honorarberatung zusätzliche Kosten für den Kunden auslösen würde. Die deutschen Versicherungsvertreter fordern daher die Festigung des bewährten Provisionsvergütungssystems in der Versicherungsbranche und unterstützen ausdrücklich entsprechende Tendenzen in der Regierungskoalition, die eine Konsolidierung im Versicherungsvermittlermarkt anstrebt. Umso mehr begrüßen die deutschen Versicherungsvertreter, dass die Europäische Kommission in dem jüngst vorgelegten Entwurf der revidierten Vermittlerrichtlinie (IMD II) kein Verbot der Annahme von Provisionen für Versicherungsvermittler vorgesehen hat.

2. Beratungsqualität als Grundlage einer langfristigen Kundenbindung
Die von Gegnern der Provisionsvergütung vorgetragene Kritik, Honorarberatung sei qualitativ besser, ist haltlos. Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Art der Vergütung und der Qualität der Beratung. Qualität muss durch entsprechende Qualifikation nachgewiesen und durch laufende Fortbildungen aufrechterhalten werden. Weder Verbraucherzentralen noch selbständige Honorarberater können eine fehlerfreie Versicherungsberatung garantieren. Berater der Verbraucherzentralen müssen - anders als Versicherungsvermittler - nicht einmal über die notwendige Sachkundeprüfung und eine Zulassung für ihre beratende Tätigkeit verfügen.

Die ausschließliche Fokussierung auf die Vergütungsart greift zu kurz. Vergütungssysteme am Markt sind vielfältig, „abschlussprovisionsorientierte Vergütungssysteme“ werden schon von Versichererseite zum Teil auf laufende Provision umgestellt. Dadurch wird die Kundenbindung und -betreuung stärker gefördert und nicht der „schnelle“ Abschluss. Der Exklusivvermittler hat durch die enge Bindung an ein Unternehmen nicht die Möglichkeit, Produkte verschiedener Versicherer anzubieten. Eine Auswahl nach der Höhe der Provision - eine immer wieder herangezogene Begründung gegen die Provisionsvergütung - fällt somit weg. Viel wichtiger ist jedoch, dass jeder unternehmerisch denkende Versicherungskaufmann seine Kundenbetreuung und Beratung so anlegen wird, dass eine dauerhafte Kundenbindung daraus erwachsen kann. Würde er nur „provisionsgetrieben" handeln, könnte er auf Dauer einen großen Teil seiner Kunden nicht an sich binden. Qualitativ hochwertige Beratung ist somit Grundlage für eine vertrauensvolle langfristige Geschäftsbeziehung zu dem Kunden.

3. Provisionsabgabeverbot dient dem Verbraucherschutz
Die BaFin prüft gegenwärtig in einem Konsultationsverfahren die Rechtmäßigkeit des Provisionsabgabeverbotes und will dann Empfehlungen für den Gesetzgeber abgeben. Die deutschen Versicherungsvermittler sind davon überzeugt, dass ein Wegfall des Provisionsabgabeverbotes zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten führen und vor allem diejenigen begünstigen würde, die wirtschaftlich stark sind und aus ihrer Position Druck auf eine Absenkung der Provisionen ausüben können. Geschwächt würden hingegen Privatkunden.

Bei Wegfall des Provisionsabgabeverbotes wird die Entscheidung des Kunden, welches Produkt oder welches Versicherungsunternehmen er wählt, davon beeinflusst sein, wie und wo er die höchste Rabattierung erreicht und nicht von der Qualität des Versicherungsschutzes.

Der Fortfall des Provisionsabgabeverbotes und die damit verbundene Provisionsrabattierung wird bei den Vermittlern zu geringeren Eigenanteilen an der Provision führen. Sie werden deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, den Beratungsumfang zu Lasten des Kunden und damit verbraucherfeindlich zu minimieren, um durch Zeitersparnis und zum Ausgleich der weitergegebenen Provision neue Kunden zu akquirieren.

Die zu erwartenden eingeschränkten Beratungs- und Betreuungsleistungen gegenüber den Kunden - nicht nur beim Abschluss, sondern während der gesamten Vertragslaufzeit - werden vor allem beim Versicherungsschutz für die zusätzliche private Altersversorgung Auswirkungen haben, also einem Versicherungsschutz, der gegen die Altersarmut zwingend erforderlich ist.

Die bisherige „Quersubventionierung“, wonach hohe Provisionen bei hohen Versicherungssummen und -umfängen zum Ausgleich der Verluste bei minimalen Versicherungssummen und -umfängen verwendet werden, wird nicht mehr möglich sein, so dass es zu einem höheren Preisniveau und damit zu einer Verteuerung der Versicherungsprodukte kommen wird.

4. Offenlegung von Abschlusskosten ist verbraucherfreundlicher als die Offenlegung von Provisionen
Die deutschen Versicherungsvertreter treten für eine Kostentransparenz bei Versicherungsverträgen ein, die es dem Kunden ermöglicht zu erkennen, in welcher Höhe sein eingezahltes Kapital in die Anlage fließt bzw. die Abschlusskosten abdeckt.

Entschieden lehnen die deutschen Versicherungsvertreter daher ab, dass der Entwurf der IMD II die Versicherungsvermittler künftig zwingen soll, ihre Provisionen offenzulegen, weil damit die Kunden eher verwirrt als informiert werden. Die deutschen Versicherungsvertreter sind der Ansicht, dass mit der Informationspflichtenverordnung (VVG – InfoV) zum Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom 18.12.2007 die Versicherer in Deutschland bereits in einem noch verbraucherfreundlicheren und transparenteren Umfang verpflichtet wurden, bei Lebensversicherungen, der Berufsunfähigkeitsversicherung, der Unfallversicherung und der substitutiven Krankenversicherung die gesamten in der Prämie einkalkulierten Abschlusskosten in einer Summe und in Euro und Cent auszuweisen. Diese Regelung hat sich bewährt und verschafft den Verbrauchern eine weitaus bessere Vergleichsmöglichkeit der Produktkosten unterschiedlicher Anbieter. Die Kunden können anhand der ausgewiesenen Abschlusskosten nachvollziehen, wie hoch sich die gesamten Nebenkosten einer von ihnen abgeschlossenen Versicherung belaufen. Neben dem entscheidenden vertraglich vereinbarten Versicherungsschutz ist dies für die Verbraucher wichtig, und nicht, wie viel Provision ihr Vermittler erhält. Da grundsätzlich einheitliche Vertriebskosten in die Kalkulation und Preisbildung einfließen, spielt die Höhe der Provisionssätze für die Verbraucher keine Rolle.

5. Fazit
Die deutschen Versicherungsvertreter treten dafür ein, das bewährte Vergütungssystem im Versicherungsvermittlerbereich zu bewahren und die deutsche Regelung zur Offenlegung der Abschlusskosten zum Wohle des Verbrauchers zum europäischen Vorbild zu statuieren.

Bonn, 11. September 2012