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Bonner Erklärung: „Vergütungssysteme im Fokus der BaFin – müssen Versicherer reagieren?“

Die Vorsitzenden der Vertretervereinigungen der deutschen Versicherungsunternehmen, das Präsidium des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) sowie die Vorstände des Arbeitskreises Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz e.V. (AVV), die zusammen mehr als 40.000 Versicherungsvermittler in Deutschland repräsentieren und damit die weitaus größte Interessenvertretung der Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland und Europa sind, verabschiedeten in Bonn die nachstehenden Positionen.

1. Ausgangslage

Die Debatte über die Begrenzung der Vergütung von Versicherungsvermittlern wird in regelmäßigen Abständen immer wieder von verschiedenen Akteuren auf die politische Agenda gebracht. Trotz der seit vielen Jahren marginalen Beschwerdequoten über Vermittler beim Versicherungsombudsmann und nicht vorhandener Verwerfungen kommt das Thema Provisionsbegrenzung nun wieder auf.

Obwohl die Bundesregierung in der vorherigen Legislaturperiode richtigerweise von der Einführung eines Provisionsdeckels Abstand genommen hat und dieser sich auch nicht im aktuellen Koalitionsvertrag wiederfindet, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Thema zuletzt mit der Ankündigung wieder aufgegriffen, im 2. Quartal 2022 eine Konsultation zur Einführung eines Provisionsrichtwerts beim Vertrieb von Lebensversicherungen durchführen zu wollen.

2. Debatte um Provisionsrichtwert

Die Versicherungsvermittler in Deutschland würdigen die Nichtberücksichtigung eines Provisionsdeckels im Koalitionsvertrag. In diesem Kontext begrüßen die Vermittler die jüngsten Aussagen aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), wonach die Pläne der BaFin, einen Provisionsrichtwert bei Lebensversicherungen finden zu wollen, skeptisch betrachtet werden.

Die Vermittler teilen die Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMF, Dr. Toncar, wonach der entsprechende Paragraf 48a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), auf den sich die BaFin dabei stützen will, nur dazu diene, Fehlanreize und Interessenkonflikte im Vertrieb zu vermeiden oder zu beseitigen. Diese liegen aus Sicht der Vermittler nicht vor. Daher fordern sie, einer Deckelung von Provisionen unter anderem Namen durch die Hintertür eine klare Absage zu erteilen.

Eingriffe in die Vergütungen der Versicherungsvermittler werden generell abgelehnt. Sie widersprechen der marktwirtschaftlichen Ordnung und sind deshalb unangebracht. Der BVK hat zudem in der Vergangenheit in mehreren Stellungnahmen bei der Debatte um einen Provisionsdeckel darauf hingewiesen, dass die Begrenzung von Provisionen sich nur marginal und vernachlässigbar auf die Rendite von Lebensversicherungen auswirken würde.

3. Aufsicht vs. Gesetzgeber - Kompetenzüberschreitung der BaFin?

Angesichts der divergierenden Ansichten zwischen Aufsicht und Gesetzgeber stellt sich die Frage, ob die BaFin noch im Rahmen ihres Mandats agiert oder ihre Kompetenzen überschreitet. Schließlich muss der Gesetzgeber als einzig demokratisch legitimiertes Organ alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen.

Aus Sicht der Vermittler hat die BaFin, egal ob es sich um einen echten oder um einen faktischen Deckel handelt, danach nicht die Kompetenz, in diesen relevanten Bereich des Versicherungsvertriebs, ohne hinreichend konkrete gesetzliche Grundlage einzugreifen. Daher haben wir auch starke verfassungsrechtliche Bedenken.

Auch die IDD-Vorgaben für die Vertriebsvergütung und die Vermeidung von Interessenkonflikten sowie die Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren (POG, Product Oversight and Governance) greifen aus Sicht der Vermittler nicht.

4. Müssen Versicherer reagieren?

Ungeachtet dessen setzt sich der BVK gegenüber den Versicherungsunternehmen schon seit Längerem dafür ein, qualitative Beratungs- und Vermittlungsleistungen stärker zu berücksichtigen. Schließlich sollten Vergütungsmodelle nicht kurzfristigen Erfolg honorieren, sondern eine qualitativ hohe Beratung und Betreuung von Kunden. Dies entspricht auch dem BVK-Berufsbild für Versicherungsvermittler, das geprägt ist von einem Anspruch auf Qualifikation, Weiterbildung sowie einer Orientierung am freien Unternehmertum und der Ethik des ehrbaren Kaufmanns.

Die Versicherer sollten daher in Einzelfällen proaktiv gegen vereinzelte überhöhte Vergütungsstrukturen vorgehen, und trotzdem  eine auskömmliche Vergütung der Vermittler gewährleisten.

Die Vermittler fordern, stärker qualitative Elemente bei der Vertriebsvergütung zu berücksichtigen, wie die Kundenzufriedenheit und die Weiterempfehlungsquote von Vermittlern. Auch sollten Zusatzvergütungen nicht allein an das Erreichen bestimmter quantitativer Ziele geknüpft werden.

Auch eine stärkere Verteilung der Provision auf die Laufzeit wäre aus Sicht der Vermittler eine Alternative, um mit einer auskömmlichen Vergütung ihren sozialpolitischen Auftrag in hoher Qualität dauerhaft erfüllen zu können.

5. Nachhaltigkeit und Vergütung

Auch aus Nachhaltigkeitsaspekten sehen wir beim Thema „Produkte und Vergütung“ noch Anpassungsbedarf. Nachhaltige Versicherungsprodukte werden zunehmend von den Kunden nachgefragt, obwohl es sich überwiegend noch um Nischenprodukte handelt. Die Vermittler werden die Chancen dieses Wachstumsmarktes nutzen und befürworten das Thema „Nachhaltigkeit im Vertrieb“ als wesentliches Zukunftsthema.

Der BVK unterstützt die Vermittler bei der verpflichtenden Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen beim Verkauf von Versicherungsanlageprodukten mit einer Checkliste, die auch Fragen zum Thema Vergütung beinhaltet.

Unabhängig davon fordern die Vermittler eine stärkere Förderung nachhaltiger Produkte und mehr Transparenz bei der Nachhaltigkeit der Anlagen. Statt Bonifikationen auf Basis von Vertriebssteuerungen bei Exklusivvertrieben sollte zur Kompensation eine Anpassung der Vergütung, verteilt auf die Laufzeit, zur Erhöhung der Nachhaltigkeit umgeschichtet werden.

Summa summarum benötigen die Vermittler nachhaltig Sicherheit für die Vergütungssysteme. Fortlaufende Diskussionen um die Vergütung sorgen nicht für Planungs- sowie Investitionssicherheit in den Vermittlerbetrieben.

6. Fazit

Die Vermittler sehen keinen Handlungsdruck zur Einführung eines Provisionsrichtwerts durch die BaFin. Es gibt keine Verwerfungen am Markt, die eine Begrenzung der Vermittlervergütung rechtfertigen würden. Zudem wäre ein solcher Eingriff ausdrücklich dem Gesetzgeber als einzig demokratisch legitimiertem Organ vorbehalten. Eingriffe in die Vergütungen der Versicherungsvermittler werden generell abgelehnt. Sie widersprechen der marktwirtschaftlichen Ordnung.

Auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken fordern die Vermittler, einer Deckelung von Provisionen durch die  Hintertür  eine  klare  Absage  zu  erteilen. Die Versicherer sollten in Einzelfällen proaktiv gegen vereinzelte überhöhte Vergütungsstrukturen vorgehen, stärker qualitative Elemente bei der Vertriebsvergütung berücksichtigen und die Vergütung stärker auf die Laufzeit verteilen, um nachhaltig eine auskömmliche Vergütung der Vermittler bei der Erfüllung ihres sozialpolitischen Auftrags zu gewährleisten.

Bonn, den 29.9.2022