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Leitantrag des Präsidiums: „Europäische Finanzregulierung und neue Bundesregierung - Positionen und Forderungen der Vermittler“

Präambel

Das Präsidium unseres Verbandes nimmt stellvertretend für alle Mitglieder und Freunde des BVK Anteil am Schicksal der Menschen in der Ukraine. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf ein nach Unabhängigkeit strebendes freies Land. Die selbständigen Versicherungskaufleute im BVK unterstützen mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement sowohl die Menschen in der Ukraine, die ihr Land gegen die Truppen Putins verteidigen, als auch Flüchtlinge, die in unser Land kommen. Wir begrüßen alle Bemühungen der deutschen Versicherungswirtschaft, den Menschen in der Ukraine zu helfen. Der BVK hat bereits einen fünfstelligen Betrag als Soforthilfe für die Ukraine zur Verfügung gestellt.

Das Marktumfeld für Versicherungsvermittler bleibt aufgrund neuer Vorhaben der neuen Bundesregierung sowie auf europäischer Ebene weiterhin von erhöhter Veränderungsdynamik geprägt. Zu den Vorhaben formulieren die Vermittler nachfolgende Positionen.

1. Würdigung des Koalitionsvertrages

Die Versicherungsvermittler in Deutschland begrüßen das Bekenntnis des Koalitionsvertrages zu den drei Säulen der Altersvorsorge. In die richtige Richtung geht auch die Erhöhung des Sparerfreibetrages auf 1.000 Euro sowie die Nichtberücksichtigung einer sogenannten „Bürgerversicherung“, wie sie in den Wahlprogrammen von SPD und den Grünen anvisiert wurde.

Zudem befürworten die Vermittler die Absicht, bei der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige eine Wahlfreiheit mit Opt-out für private Altersvorsorge einzuführen. Als selbstständige Unternehmer und Altersvorsorgespezialisten kennen sie die Anforderungen des Berufsstandes am besten und können individuelle Vorsorgelösungen anbieten.

2. Reform der privaten Altersvorsorge

Zurückhaltend bewerten die Vermittler eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge. Hier bleibt es abzuwarten, was die Prüfung der Bundesregierung zu einer alternativen privaten Altersvorsorge mit einer höheren Rendite als bei Riester ergeben wird. Begrüßenswert ist jedoch der beabsichtigte Bestandsschutz für laufende Riester-Verträge. Gegenüber einer Reform der privaten Altersvorsorge mit Augenmaß sind die Vermittler aufgeschlossen.

Die Vermittler sehen jedoch die Pläne sehr kritisch, die mangelnde Finanzierung der gesetzlichen Rente mit zehn Milliarden Euro auszustatten, die über einen Staatsfonds am Kapitalmarkt angelegt werden sollen. Dies wird nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein und so keine lebensstandardsichernde Rente für Millionen ermöglichen.

Der BVK lehnt weiterhin die Einführung eines Standardprodukts für die private Altersvorsorge ab. Beratung ist wichtig und muss auch angemessen entlohnt werden. Ein Vertrieb ohne Beratung widerspricht dem Verbraucherschutzgedanken.

Die Vermittler fordern, auch weiterhin als sachverständige Ratgeber für ihre Kunden zentrale Ansprechpartner bleiben zu können. Schließlich erfüllen die Versicherungsvermittler seit jeher einen wichtigen sozialpolitischen Auftrag.

3. Vorschläge der Vermittler für eine Riester-Reform

Die Vermittler fordern, die Riester-Rente weiterzuentwickeln und zu entschlacken. Hier könnte vor allem bei den Garantien angesetzt werden. Zum Beispiel ist die Beitragsgarantie bei der momentanen Zinslage für die Anbieter schlicht nicht mehr darstellbar. Sie bindet unnötig das Altersvorsorgekapital der Riester-Sparer an zwar sichere, aber dafür niedrigverzinste Kapitalanlagen, die inflationsbereinigt sogar weniger als 100 % rentieren können. Wenn dagegen die Beitragsgarantie (zumindest teilweise) wegfiele, könnten die Anbieter die Kundengelder chancenreicher anlegen, was die Rendite heben würde.

Zudem könnte das umständliche Zulagenverfahren über die Zentralstelle für Altersvorsorgevermögen entbürokratisiert und vereinfacht werden. Auch eine Rückforderung von ehemals gewährten Zulagen muss ausgeschlossen werden. Durch die Öffnung der Riester-Rente für weitere Berufsgruppen, wie beispielsweise für Selbständige, könnten Vorsorgemöglichkeiten für eine größere Anzahl von Personen geschaffen werden.

Schließlich könnten auch steuerliche Aspekte berücksichtigt werden. So könnte die Deckelung der steuerlichen Anerkennung der Höchstfördergrenze angehoben werden ebenso wie die Deckelung des Schonvermögens von bis zu 202 Euro monatlich für Bezieher staatlicher Leistungen im Alter, denn gerade diese befürchten zu Recht, dass ihre hart ersparte Altersvorsorge zukünftig auf mögliche Sozialleistungen angerechnet wird. Deshalb setzt sich der BVK schon seit Jahren für ein vollumfängliches Schonvermögen ein.

Es wird deutlich, dass das Modell der Riester-Rente noch erhebliches Potenzial hat. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 34 Millionen Bundesbürger über die staatliche Riester-Förderung für ihr Alter vorsorgen könnten. Es kommt daher jetzt darauf an, die Riester-Rente zukunftsfester zu machen.

4. Europäische Finanzregulierung

Neben den nationalen Vorhaben hat die europäische Finanzregulierung zunehmend großen Einfluss auf die Arbeit der Vermittler. Die europäischen Verordnungen und Richtlinien umfassen dabei ein immer breiteres Spektrum, zu denen wir nachfolgend Position beziehen.

5. Schutz von Kleinanlegern im Kapitalmarkt

Generell begrüßt der BVK die Ziele des Aktionsplans der Europäischen Kommission zur Capital Market Union (CMU), hält dabei aber die vorhandenen, rechtlichen Rahmenbedingungen für ausreichend. Die Wirkung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, der Finanzmarktrichtlinie MiFID II und der Product Oversight and Governance-Regelungen (POG), die in der IDD selbst verankert sind, sollten zuerst abgewartet werden, bevor weitere Maßnahmen eingeleitet werden.

Denn jede neue Regelung am Markt bringt für den Versicherungsvertrieb zusätzliche Verpflichtungen, ist kostenintensiv und führt zu neuen bürokratischen Belastungen. Die regulatorische Stabilität ist daher eine vordringliche Forderung. Des Weiteren vertritt der BVK die Auffassung, dass ein freier Markt mit unterschiedlichen Vergütungssystemen den besten Schutz für Verbraucher liefert, damit diese ihr Wahlrecht entsprechend ausüben können. Das provisionsbasierte System bietet dem Verbraucher einen erschwinglichen Zugang zu qualifizierter Beratung. Auch die Regulierung des Online-Vertriebes im Hinblick auf gleiche Informationspflichten und gleiche Wettbewerbsbedingungen ist äußerst wichtig. Zukünftige Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit werden den Markt ohnehin verändern. Ergänzend verwiesen wir auf die ausführliche Stellungnahme des BVK zur EIOPA- Konsultation auf der BVK-Website.

6. Europa-Rente (PEPP)

Der im März in Kraft getretenen neuen Europa-Rente (Pan European Pension Product - PEPP) droht bereits ein Fehlstart. Einerseits ist die Absicht eines innerhalb der EU grenzüberschreitend übertragbaren Altersvorsorgeprodukts bei Wohnsitzwechsel gut gemeint. Andererseits gibt es aufgrund der wenig realistischen Vorgaben, wie z.B. einem Kostendeckel von 1 % im Basis-PEPP, noch keinen Produktanbieter in ganz Europa. Somit ist PEPP bereits ein Beleg dafür, dass zu starke Regulierung nicht den Marktrealitäten entspricht. Der BVK steht daher der Einführung von PEPP weiterhin kritisch gegenüber.

7. Nachhaltigkeit

Seit März 2021 muss die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (TVO) angewendet werden. Spätestens ab August 2022 müssen außerdem Frage- und Beratungspflichten beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten beachtet werden im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln.

Mit der TVO soll erreicht werden, dass die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen bei der Kapitalanlage unter anderem von Lebensversicherungsunternehmen unterstützt werden. Dabei geht es nicht nur um die Bekämpfung des Klimawandels, sondern unter dem Kürzel „ESG-Kriterien“ allgemein um ökologische Ziele, soziale Ziele und eine gute Unternehmensführung (Governance). Versicherungsvermittler sind davon betroffen, wenn sie Versicherungsanlageprodukte vermitteln.

Der BVK befürwortet das Thema „Nachhaltigkeit im Vertrieb“ als wesentliches Zukunftsthema und hat eigens die Initiative nachhaltiger-vermittlerbetrieb.de initiiert.

Nachhaltige Versicherungsprodukte werden zunehmend von den Kunden nachgefragt, obwohl es sich überwiegend noch um Nischenprodukte handelt. Die Vermittler werden die Chancen dieses Wachstumsmarktes nutzen. Dennoch sehen wir beim Thema „Produkte und Vergütung“ noch Anpassungsbedarf.

Eine stärkere Förderung nachhaltiger Produkte und mehr Transparenz bei der Nachhaltigkeit der Anlagen sind wünschenswert. Statt Bonifikationen auf Basis von Vertriebssteuerungen bei Exklusivvertrieben sollte zur Kompensation eine Anpassung der Vergütung, verteilt auf die Laufzeit, zur Erhöhung der Nachhaltigkeit umgeschichtet werden.

8. DORA

Der sogenannte „Digital Operational Resilience Act“ (DORA) liegt als Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates für die Betriebsstabilität digitaler Systeme des Finanzsektors auf dem Tisch. DORA dient der Vermeidung von Cyber-Angriffen und der Verbesserung der Aufsicht über ausgelagerte IT-Dienste. Der BVK setzt sich dafür ein, dass Versicherungsvermittler nicht hiervon betroffen sind, sondern nur Banken und Versicherungsunternehmen. Für Vermittler hätte die Umsetzung von DORA hohe bürokratische Hürden und Kosten zur Folge, die angesichts der gesamten Regulierungsflut kaum noch zu bewältigen wäre.

9. Fazit

Die Versicherungsvermittler sehen Licht und Schatten beim Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Bei den anstehenden Reformen in der privaten Altersvorsorge fordern die Vermittler, auch weiterhin als sachverständige Ratgeber für ihre Kunden zentrale Ansprechpartner bleiben zu können. Zudem fordern sie von der Politik die Berücksichtigung ihrer Vorschläge zur Riester-Reform sowie eine kritische Überprüfung der aktuellen Vorhaben zur Altersvorsorge auf nationaler und europäischer Ebene.

Bei der Europäischen Finanzregulierung hält der BVK die vorhandenen, rechtlichen Rahmenbedingungen für ausreichend. Eine weitere Regulierung lehnen die Vermittler daher ab. Denn jede neue Regelung am Markt bringt für den Versicherungsvertrieb zusätzliche Verpflichtungen, ist kostenintensiv und führt zu neuen bürokratischen Belastungen.

Der BVK befürwortet das Thema „Nachhaltigkeit im Vertrieb“ als wesentliches Zukunftsthema. Dennoch sehen wir beim Thema „Produkte und Vergütung“ noch Anpassungsbedarf. Eine stärkere Förderung nachhaltiger Produkte und mehr Transparenz bei der Nachhaltigkeit der Anlagen sind wünschenswert.

Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK

Berlin, den 19.05.2022