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Bonner Erklärung - „Die Umsetzung der IDD – Neue Herausforderungen für den Agenturvertrieb in den Bereichen Vertriebssteuerung, Weiterbildung und Vergütung“

Die Vorsitzenden der Vertretervereinigungen der deutschen Versicherungsunternehmen, das Präsidium des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) sowie die Vorstände des Arbeitskreises Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz e.V. (AVV), die zusammen mehr als 40.000 Versicherungsvermittler in Deutschland vertreten und damit die weitaus größte Interessenvertretung der Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland und Europa sind, verabschiedeten in Bonn die nachstehenden Positionen.

I. Umsetzung der IDD

Die Vorsitzenden der Vertretervereinigungen, der BVK und die Vorstände des AVV sind mit dem verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) insgesamt zufrieden. Weitere Konkretisierung enthält zudem das von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) veröffentlichte „Rundschreiben zur Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern sowie zum Risikomanagement im Vertrieb“ (Vertriebsrundschreiben 11/2018). Auch die im Kabinettsentwurf vorliegende Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) enthält weitere Details zur Umsetzung der IDD. Wir begrüßen hierzu insbesondere folgende Entscheidungen:

  1. Den Erhalt des Provisions- und Courtagesystems als Leitvergütung
  2. Keine Vorgaben hinsichtlich der Begrenzung der Vergütung von Vermittlern
  3. Kein Honorarannahmeverbot für Versicherungsvermittler
  4. Die Festschreibung der bestehenden Transparenzvorschriften zur Verhinderung der irreführenden Provisionsoffenlegung
  5. Vertriebssteuerung ist nur noch im Kundeninteresse möglich
  6. Die gesetzliche Verankerung des Provisionsabgabeverbotes im Versicherungsaufsichtsgesetz und deren enge Auslegung durch die BaFin
  7. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Vertriebswege, d.h. auch für den Onlinevertrieb und „Kein Vertrieb ohne Beratung“
  8. Keine Lernerfolgskontrollen mit Ausnahme des Selbststudiums
  9. Keine anlasslose Überprüfung von Vermittlern mit eigener Erlaubnis

Die Vermittler fordern angesichts der umfassenden gesetzlichen Änderungen, dass die Regulierung des Versicherungsvertriebs nun eine Auszeit erhält, da die Belastungsgrenze vieler kleiner und mittelständischer Vermittlerbetriebe bereits überstrapaziert ist.

II. Vertriebssteuerung

Gemäß § 48 a VAG darf die Vertriebsvergütung von Versicherungsunternehmen und deren Angestellten nicht mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln, kollidieren. Wir begrüßen, dass Versicherungsunternehmen keine Vorkehrungen durch Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen dürfen, durch die Anreize für Versicherungsvermittlung geschaffen werden könnten, nicht bedarfsgerechte Produkte zu empfehlen. Kundenfeindliche Vertriebssteuerung durch Versicherungsunternehmen hat somit zu entfallen. Sie führt nicht zu einer bedarfsgerechten und an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden ausgerichteten Beratung. Konkret stellen wir Folgendes fest:

Grundsätzlich kann aus § 48 a VAG keine Berechtigung abgeleitet werden, bestehende Provisionsvereinbarungen zu ändern oder Provisionszusagen einseitig zu widerrufen. Soweit Vergütungsvereinbarungen den Anforderungen der IDD nicht genügen, weil allein die Erreichung bestimmter quantitativer Ziele gefordert wurde, die dem bestmöglichen Kundeninteresse entgegenstehen, ja schaden könnten, hätte dies zur Folge, dass ggf. die Provisionsänderungsklauseln greifen könnten. In diesem Fall sind die Vergütungsvereinbarungen wertausgleichend zu modifizieren.

Die Hinwirkungspflicht der Versicherer, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Verträge mit Vermittlern an die neuen Vorgaben anzupassen, darf nicht dazu missbraucht werden, gesetzlich nicht notwendige Vertragsänderungen unter dem Deckmantel der neuen Vorgaben zu bewirken.

Die Vermittler fordern von den Versicherungsunternehmen, die gesetzlichen Vorgaben fair und kooperativ mit den Vermittlern zusammen umzusetzen und im Bedarfsfall Vergütungsvereinbarungen wertausgleichend in Abstimmung mit der Vertretervereinigung anzupassen.

III. Vergütung

Vor dem Hintergrund der politischen Debatte um Provisionsbegrenzungen bei der Lebensversicherung fordern wir, eine angemessene Gesamteinnahmesituation der Versicherungsvermittler zu gewährleisten. Angesichts der bereits für Vermittler spürbar gesunkenen Vergütungen im Vertrieb mit der Einführung des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG), bei gleichzeitig deutlich gestiegenem Beratungsaufwand, lehnen die Vermittler einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ab. Vielmehr sehen wir die Versicherer in der Pflicht, die Verwaltungs- und Overhead-Vertriebskosten durch interne Einsparungen zu senken. Hier besteht aus unserer Sicht noch erhebliches Einsparpotenzial. Eine einseitige Lastenverteilung zuungunsten der Vermittler lehnen wir ab.

Durch das LVRG wurde der Höchstzillmersatz von 40 auf 25 Promille bereits deutlich abgesenkt. Darüber hinausgehende Provisionen können seither nicht mehr aus den in den ersten Vertragsjahren einkalkulierten Abschlusskosten finanziert werden, sondern müssen über längere Zeiträume vorfinanziert und aus anderen Ertragsquellen beglichen werden. Die kalkulierten Abschlusskosten sind deshalb durch das LVRG branchenweit um 20 % zurückgegangen. Das LVRG wurde von der Branche vollständig umgesetzt. Dies hat sich auch auf die Vergütungen an Vermittler ausgewirkt, die branchenweit insgesamt um 5 % zurückgegangen sind. Der Rückgang bei den Abschlussprovisionen liegt bei 12,9 %.

Zudem werden die Auswirkungen eines Provisionsdeckels auf die Rendite von Altersvorsorgeverträgen oft überschätzt. Zum einen ändert sich die Situation bei den bestehenden rund 90 Millionen Verträgen nicht, da ein Provisionsdeckel ausschließlich im Neugeschäft Anwendung findet. Bei einer Provisionsbegrenzung auf zum Beispiel 1,5 % im Neugeschäft, ohne weitere Kompensationen bei laufenden Vergütungen und kompletter Weitergabe der reduzierten Abschlussprovisionen an die Kunden, würde der hierdurch gestiegene Sparbeitrag nur zu einer sehr geringen Erhöhung der Rendite führen. Deren Umfang hängt von der Laufzeit des Altersvorsorgeproduktes und der Rendite der Kapitalanlagen ab und liegt bei typischen Altersvorsorgeprodukten lediglich zwischen 0,1 % und 0,2 %. Der maßgebliche Renditehebel sind stattdessen die Kapitalanlagen, die jedoch aufgrund der geldpolitisch gesteuerten Niedrigzinsphase magere Renditen erzielen.

Eine Reduzierung der Vermittlereinnahmen, die im Branchendurchschnitt bei gerade einmal 50.000 Euro brutto (vor Steuern und Betriebskosten) liegen, wird wie ein „Brandbeschleuniger“ auf die ohnehin stark rückläufigen Vermittlerzahlen wirken und letztlich die private Altersvorsorge in Deutschland signifikant zurückgehen lassen.  

Die Vermittler fordern von der Politik, keinen Provisionsdeckel einzuführen, da dieser als ordnungspolitischer Eingriff weder zielführend noch gerechtfertigt ist. Stattdessen plädieren wir für eine stärkere Förderung der privaten Altersvorsorge durch qualifizierte Beratung, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase.
Zudem sollte bei Ausscheiden aus dem Berufsstand wegen Alter, Berufsunfähigkeit oder Tod sowie in der betrieblichen Altersvorsorge die 60-monatige Stornohaftung ohne jegliches Verschulden des Vermittlers überprüft werden.

IV. Sachkunde, Qualifikation und Weiterbildung

Gemäß dem BaFin-Vertriebsrundschreiben 11/2018 müssen die Versicherungsunternehmen sicherstellen, dass Vermittler von Beginn ihrer Vermittlertätigkeit an über die zur Vermittlung der jeweiligen Versicherungsverträge angemessene Qualifikation verfügen.

Nach dem IDD-Umsetzungsgesetz müssen von diesem Jahr an alle im Versicherungsvertrieb Tätigen mindestens 15 Weiterbildungsstunden absolvieren mit der Option auf eine
darüber hinausgehende freiwillige Weiterbildung. Wir begrüßen, dass keine Vorgaben zu Lernerfolgskontrollen bei Präsenzweiterbildungen und eine vereinfachte Nachweisform der Weiterbildung gegenüber der Aufsichtsbehörde vorgesehen sind, die sonst zu unnötigem bürokratischem Aufwand für alle Beteiligten geführt hätten.

Wir begrüßen zudem, dass Vermittler mit eigener Erlaubnis anlassbezogen, also nicht in regelmäßigen Abständen, durch Versicherungsunternehmen kontrolliert werden dürfen. Die Unternehmen müssen Informationen über die Auskunftsstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e.V. (AVAD) einholen sowie regelmäßig die Löschlisten der IHK-Registrierungsstellen beobachten, um ggf. die Zusammenarbeit mit nicht mehr registrierten Vermittlern zu beenden. Eine darüber hinausgehende Kontrolle hätte einen erheblichen Eingriff in den Kernbereich selbständiger Tätigkeit dargestellt.

Wir freuen uns, dass unsere Bedenken und Einwände gegen eine „Überwachungsverpflichtung“ durch die Versicherungsunternehmen Gehör gefunden haben.

Wir fordern, dass die Lernerfolgskontrolle im Selbststudium praxistauglich und mit Augenmaß umgesetzt wird. Wir fordern darüber hinaus von den Versicherungsunternehmen, die Begrenzung von Kontrollmechanismen konsequent zu beachten.

V. Beschwerdemanagement und Vermittlerregister

Wir begrüßen, dass der Kabinettsentwurf der VersVermV ein vermittlerinternes Beschwerdemanagement von der Größe der Vermittlerbetriebe abhängig macht. Damit sind die meisten Vermittler, die im überwiegenden Maße Kleinbetriebe sind, von der bürokratischen Einführung eines Verfahrens zur Verwaltung von Beschwerden befreit. Dies entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Aus Gründen des Verbraucherschutzes ist die verpflichtende Teilnahme von allen Vermittlern am bewährten Beschwerde- und Schiedsverfahren des Versicherungsombudsmanns verankert. Dieses etablierte Schlichtungsverfahren begrüßen wir ausdrücklich. Es stärkt die Qualität und die Reputation der Vermittlerschaft.

BVK-Mitglieder sind bereits seit 2011 verpflichtet, am Ombudsmannverfahren teilzunehmen. Die deutschen Vermittler begrüßen insoweit ein verpflichtendes Verfahren für alle Vermittler.

VI. Forderungen

  1. Die Vermittler fordern angesichts der umfassenden gesetzlichen Änderungen, dass die Regulierung des Versicherungsvertriebs beendet wird, da die Belastungsgrenze vieler kleiner und mittelständischer Vermittlerbetriebe überstrapaziert ist. Teilweise Überregulierungen wie die unverändert hohe Stornohaftung bei Ausscheiden wegen Alter, Berufsunfähigkeit oder Tod ohne jegliches Verschulden des Vermittlers sollten überprüft werden.   
  2. Die Vermittler fordern von den Versicherungsunternehmen, die gesetzlichen Vorgaben fair und kooperativ mit den Vermittlern zusammen umzusetzen und falls nötig, Vergütungsvereinbarungen wertausgleichend anzupassen.
  3. Die Vermittler fordern von der Politik, einen Provisionsdeckel zu verwerfen, da dieser ordnungspolitische Eingriff weder zielführend noch gerechtfertigt ist. Stattdessen plädieren wir für eine stärkere Förderung der privaten Altersvorsorge, insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase.  
  4. Wir fordern, dass die Lernerfolgskontrolle im Selbststudium praxistauglich und mit Augenmaß umgesetzt wird. Wir fordern darüber hinaus von den Versicherungsunternehmen, die Begrenzung von Kontrollmechanismen konsequent zu beachten.

Bonn, den 19.09.2018