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Bonner Erklärung - „Sind Versicherer noch verlässliche Partner für Vermittler? – Wie sieht die zukünftige Vergütung im Vertrieb aus?“

Die Vorsitzenden der Vertretervereinigungen der deutschen Versicherungsunternehmen, das Präsidium des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) sowie die Vorstände des Arbeitskreises Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz e.V. (AVV), die zusammen mehr als 40.000 Versicherungsvermittler in Deutschland repräsentieren und damit die weitaus größte Interessenvertretung der Versicherungs- und Bausparkaufleute in Deutschland und Europa sind, verabschiedeten in Bonn die nachstehenden Positionen.

1. Vermittler erfüllen Lotsenfunktion

Die Versicherungsvermittler haben trotz anhaltend widriger Corona-Bedingungen ihren sozialpolitischen Auftrag erfüllt und Kunden zur Absicherung von Lebensrisiken und zur auskömmlichen Altersvorsorge beraten. Dabei standen die Vermittler ihren Kunden auch in den besonders schwierigen Phasen der Pandemie stets verlässlich als Lotsen über digitale oder telefonische Kanäle mit ihrer qualifizierten Beratung zur Verfügung. Das Thema „Absicherung“ hat durch die Pandemie einen ganz neuen Stellenwert erfahren. Hier können die Vermittler mit ihrer qualifizierten Beratungskompetenz punkten. Auch während der jüngsten Unwetterkatastrophe in Deutschland haben die Vermittler vielfach mit ihrem Schadenmanagement und der Schadenregulierung vor Ort Großes geleistet.

Die hohe Verlässlichkeit und Lotsenfunktion der Vermittler werden von vielen Kunden honoriert. Doch vielen Vermittlern hat während der Pandemie selbst die Verlässlichkeit der Versicherer gefehlt, da sie teilweise Einbußen durch die Kontaktbeschränkungen zu verkraften hatten und daher ihre Kundenkontakt-Kanäle stark umstellen mussten. Bei der Unterstützung durch die Versicherer sahen viele Vermittler noch Luft nach oben. Nach BVK-Umfragen waren 40 Prozent mit der Unterstützung der Versicherer in der Pandemie nicht zufrieden. Die Versicherer haben jedoch in ihrer Geschäftsbeziehung gegenüber den Exklusivvermittlern Fürsorgepflichten zu erfüllen. Zudem wünschen sich viele Exklusivvermittler mehr Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer IT sowie Web- und Social Media-Seiten.

Die Vermittler fordern von den Versicherern, ihrer Fürsorgepflicht stärker nachzukommen und ihnen als Unternehmern mehr Freiheiten einzuräumen.

2. Onlinevertrieb und Standardprodukte

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Reform der Riester-Rente widersprechen die Vermittler weiterhin den Statements des GDV, wonach digital vertriebene Standardprodukte eine Lösung sein könnten. Dass damit die wichtige Beratungsleistung der Vermittler zur Disposition gestellt wird, ist nicht akzeptabel. Digitale Standardprodukte können die individuelle Kundenlage nur sehr grob und schemenhaft erfassen. Eine qualifizierte Altersvorsorgeberatung ist durch die vorhandene Absicherung, die persönliche Lebenssituation, verschiedene Förderwege, Sozialversicherungsfragen und individuelle Ziele die komplexeste Beratung im Versicherungsbereich. Dafür bilden sich die Vermittler jährlich verpflichtend fort, um dem Kunden eine maßgeschneiderte Lösung zu bieten. Ein Standardprodukt kann dies niemals erfüllen. Zudem entspricht Vertrieb ohne Beratung nicht dem Verbraucherschutzgedanken. Ein verlässlicher Partner der Vermittler hätte sich stärker für eine Reform der Riester-Rente unter Einbeziehung der Vermittlerinteressen einsetzen müssen. Daher fragen sich die Vermittler, ob Versicherer noch verlässliche Partner für Vermittler sind, wenn deren Positionen gegen die Vermittlerinteressen vorauseilend geräumt werden. Gerade beratungsintensive Altersvorsorgeprodukte, die einen Konsumverzicht für die Verbraucher nach sich ziehen, werden kaum aktiv von Verbrauchern gekauft.

Die Vermittler sehen weiterhin Chancen in der Weiterentwicklung der schon seit 20 Jahren bestehenden und etablierten Riester-Rente. Dazu hat der BVK seine Vorschläge unterbreitet. Diese sehen u. a. vor, die 100-prozentige Beitragsgarantie zugunsten höherer Renditechancen zu lockern, das bürokratische Zulagenverfahren zu vereinfachen und die Riester-Rente für weitere Berufsgruppen wie z. B. Selbstständige zu öffnen. Auch die Deckelung der steuerlichen Anerkennung der Höchstfördergrenze sollte angehoben werden.

Die Vermittler fordern, die Riester-Rente weiterzuentwickeln und die Beratungsleistung der Vermittler anzuerkennen. Vertrieb ohne Beratung durch Standardprodukte erfüllt nicht die Bedürfnisse des Kunden.

3. Vergütung

Die weitere Beschränkung der Vermittlervergütung bei Lebensversicherungen wird in wiederkehrenden Intervallen von Verbraucherschützern und einigen politischen Entscheidungsträgern gefordert. Statt einer starren Deckelung von Abschlussprovisionen beim Vertrieb von Lebensversicherungen plädieren wir für eine intelligente Lösung mit Verteilung von Teilen der Provision auf die Laufzeit.

Wir geben zu bedenken, dass der bürokratische Aufwand in den Betrieben durch die Regulierung von Jahr zu Jahr stetig wächst. Als selbstständige Unternehmer müssen Vermittler aber auch stets für die betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit ihres Unternehmens sorgen. Dafür benötigen sie eine auskömmliche und verlässliche Vergütung. Sofern eine kostendeckende Beratung von beratungsintensiven Produkten nicht mehr möglich erscheint, werden viele Vermittler zunehmend auf andere Sparten und Bereiche ausweichen, was sich zu Lasten der Beratung und Vermittlung von Fragen der persönlichen Daseinsvorsorge bei Alters- und Hinterbliebenenrisiken entwickeln würde.

Eine stärkere Förderung der Honorarberatung wird von einigen als universelle Lösungsmöglichkeit gesehen. Die Vermittler haben sich immer offen für ein Nebeneinander der Vergütungsmodelle von Provision und Honorar gezeigt. Die Honorarberatung wird jedoch vom Großteil der Bevölkerung nicht nachgefragt. Zudem befürchten wir bei einem Provisionsverbot wie in Großbritannien negative Effekte auf die Nachfrage nach Beratung. Insbesondere breite Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen würden sich eine Beratung dann nur im Ausnahmefall leisten. Damit würde der privaten Altersvorsorge und dem Kampf gegen die Altersarmut ein Bärendienst erwiesen.

Die Vermittler fordern daher, die Wahlfreiheit bei der Vergütungswahl beizubehalten und die marktwirtschaftlichen Mechanismen von Angebot und Nachfrage zu berücksichtigen. Oft angeführte Interessenkonflikte bei der Provisionsberatung sind aufgrund verschwindend geringer Vermittlerbeschwerden beim Versicherungs-ombudsmann nicht stichhaltig. Daher stellen sich die Vermittler die Frage, ob die immer wiederkehrende Debatte um die Begrenzung der Vergütung rein ideologisch geprägt ist.

Die Vermittler fordern eine angemessene Vergütung sowie eine Abkehr von der weiteren Beschränkung der Vermittlervergütung. Zudem wird weiterhin ein Nebeneinander der Vergütungsmodelle zwischen Provision und Honorar gefordert.

4. Bundestagswahl / Regulierung

Die Regulierung des Versicherungsvertriebs wird auch nach der Bundestagswahl weiter vorangetrieben. Zwar ist das Thema „Provisionsdeckel“ inzwischen etwas in den Hintergrund geraten, doch vom Tisch sind die Pläne damit nicht. Auch die Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird voraussichtlich, trotz des Eingeständnisses von gravierenden Kostensteigerungen, unklaren Personalkapazitäten bei der BaFin, doppelten Aufsichtsstrukturen und damit höheren Kosten für viele Versicherungsvermittler, von der Politik weiterverfolgt. Dies lehnen die deutschen Vermittler ab. Anstatt der BaFin weitere Aufgaben zu übertragen, plädieren die Vermittler weiterhin für die bewährte IHK-Aufsicht und eine einheitliche Zuständigkeit der IHK-Organisation. Die Forderung der BaFin nach mehr Befugnissen, und damit nach noch mehr Regulierung, lehnen die Vermittler entschieden ab.

Statt mehr Regulierung fordern wir dringend von der neuen Bundesregierung einen großen Wurf bei der stärkeren Förderung der privaten Altersvorsorge.

Die Vermittler fordern von den politischen Entscheidungsträgern, die Vermittler nicht mit einer weiteren Regulierungswelle nach der Wahl zu belasten. Es ist an der Zeit, bestehende Regulierung zu evaluieren, den Mittelstand deutlich zu entlasten und einen großen Wurf bei der stärkeren Förderung der privaten Altersvorsorge auf den Weg zu bringen.

5. Forderungen

  1. Die Vermittler fordern von den Versicherern, ihrer Fürsorgepflicht stärker nachzukommen und ihnen als Unternehmern mehr Freiheiten einzuräumen.
  2. Die Vermittler fordern, die Riester-Rente weiterzuentwickeln und die Beratungsleistung der Vermittler anzuerkennen. Vertrieb ohne Beratung durch Standardprodukte erfüllt nicht die Bedürfnisse des Kunden.
  3. Die Vermittler fordern eine angemessene Vergütung und eine Abkehr von der weiteren Beschränkung der Vermittlervergütung. Zudem wird weiterhin ein Nebeneinander der Vergütungsmodelle zwischen Provision und Honorar gefordert.
  4. Die Vermittler fordern von den politischen Entscheidungsträgern, die Vermittler nicht mit einer weiteren Regulierungswelle nach der Wahl zu belasten. Es ist an der Zeit, bestehende Regulierung zu evaluieren, den Mittelstand deutlich zu entlasten und einen großen Wurf bei der stärkeren Förderung der privaten Altersvorsorge auf den Weg zu bringen.

Bonn, 17.09.2021