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„Vermittler sichern Kundeninteressen in einer digitalisierten Versicherungswelt“

Leitantrag des Präsidiums

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) erkennt die Digitalisierung des Versicherungsvertriebs als Chance für Vermittler und Verbraucher. Vermittler sollten die Vorteile der Digitalisierung nutzen und sich gleichzeitig aus Verbraucherschutzaspekten der Risiken bewusst sein. 

Zur Gewährleistung einer differenzierten Positionierung zur „Digitalisierung im Versicherungsvertrieb“ untergliedert der vorliegende Leitantrag des BVK das Thema anhand der verschiedenen Geschäftsbeziehungen im Versicherungsvertrieb. 

1. Aktionsfeld: Kunde - Vermittler

Der BVK weiß um den Kundenwunsch nach digitalisierten Leistungen und einer gestiegenen Nachfrage nach Informationen über digitale Kanäle. Zugleich sieht der BVK auch den Trend zur Anonymisierung in der Informationsgewinnung. Die Kunden informieren sich aufgrund der Tarifvielfalt und aus Gründen der Funktionalität zunehmend über das Internet oder Vergleichsportale. Die anonyme Informationsgewinnung erzeugt gleichzeitig beim Kunden den Wunsch nach einem persönlichen Kontakt, wenn es um die Entscheidungsfindung geht („hybrider Kunde“). 

Der BVK vertritt die Position, dass die vertrauensvolle persönliche Beratung unersetzlicher Kernbestandteil bei der Vermittlung und Beratung von Versicherungen bleibt. Der zukunftsfähige Vermittler macht die qualifizierte Beratung zu seinem Alleinstellungsmerkmal. Aufgrund der großen Informationsvielfalt bietet sich dem Vermittler die große Chance, den Kunden die notwendige Orientierung und Unterstützung bei der eigenständigen Entscheidungsfindung zu bieten. Er vereinfacht die Komplexität der Versicherungsangebote für seinen Kunden und erteilt fachmännischen Rat.

Trotz der großen Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung muss gleiches Recht für alle gelten. Gesetzliche und regulatorische Ausnahmen darf es für keinen Vertriebsweg geben, da dies eine Wettbewerbsverzerrung darstellt. Das bedeutet zum Wohle des Kunden: Gleiche Beratungs- und Dokumentationspflicht für alle.

2. Aktionsfeld: Kommunikation Vermittler - Versicherer

Digitalisierung ermöglicht mittels der digital orientierten Kommunikation einen effektiveren Arbeitsablauf zwischen Vermittler und Versicherer unter den Bedingungen gemeinsam optimierter Prozesse. Die Gestaltung der Digitalisierungsmöglichkeiten erachten wir als eine berufsständische Aufgabe.

Wir fordern, dass sowohl Vermittler als auch Versicherer an Effizienzsteigerungen in der Wertschöpfungskette partizipieren müssen. Ein partnerschaftliches und faires Verhalten bietet letztlich beiden Seiten einen Nutzen, da die Senkung der Transaktionskosten und Zeitersparnis in beiderseitigem Interesse liegen. 

3. Aktionsfeld: Organisation des eigenen Vermittlerbetriebes

Die professionelle Nutzung der Informationstechnologie (IT) ist eine große Chance für Vermittler. Der zukunftsfähige Vermittler setzt die IT professionell zur Ergebnissteigerung ein. Dies setzt eine kontinuierliche Weiterbildung und Auseinandersetzung mit den aktuellen IT-Möglichkeiten (Software und Hardware) voraus. Effizienzsteigerungen werden gelingen, wenn Fragen der Organisation, der IT, des Qualitätsmanagements und der Finanzierung des Betriebes künftig in der Wahrnehmung beim Vermittler einen höheren Stellenwert einnehmen.

Der BVK begrüßt vertriebsunterstützende Anwendungen, die Vermittler bei ihrer täglichen Arbeit helfen. Sofern Vermittler digitale Angebote wie z.B. „Apps“ von externen Dienstleistern nutzen, sollten sie stets deren Geschäftsmodell kritisch hinterfragen. Die Unterbrechung der bisherigen vertrauensvollen Kundenbeziehung zwischen Vermittler und Kunden durch sogenannte „disruptive“ digitale Angebote lehnen wir ab. 

4. Aktionsfeld: Produktgestaltung der Versicherungsunternehmen

Versicherer versuchen aktuell, durch technische Möglichkeiten der digitalen Informationsgewinnung („Big Data“ bzw. Massendaten) neue individualisierte Produkte zu entwickeln. Hierzu zählen unter anderem Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung oder Gesundheits-Apps und Fitnessarmbänder (sogenannte „Wearables“) mit synchronisiertem Datenaustausch zum Kranken- bzw. Lebensversicherer. Diese neuen Produkte ermöglichen eine individuelle Bepreisung von Versicherungen in Abhängigkeit der entsprechenden Risiken.

Der BVK warnt ausdrücklich vor der umfassenden Individualisierung von Versicherungsprodukten, da diese zu einer Erosion des Versicherungssolidarprinzips führen wird. Marktversagen und eine verstärkte politische Regulierung ist die logische Konsequenz, die nicht im Interesse der gesamten Versicherungsbranche ist. Wir fordern die Versicherungswirtschaft auf, am Versicherungssolidargedanken festzuhalten und die langfristigen Folgen einer Produktindividualisierung mit Augenmaß zu berücksichtigen. Zudem sehen wir Fragen der Datensicherheit als Compliance-Risiko für die Versicherungsunternehmen kritisch. Wir geben zu bedenken, dass ein Missbrauch der Kundendaten fatale Auswirkungen auf die Reputation der gesamten Branche haben könnte.

5. Aktionsfeld: Versicherer - Kunde 

Die digitale Welt vereinfacht die Ausweitung des Direktvertriebs (also einer direkt abgeschlossenen Versicherung). Die Kunden informieren sich zunehmend im Internet, wodurch die Vermittler nur noch mittelbar Kontakt zu den Kunden bekommen, wenn diese Gesprächsbedarf äußern.

Wir vertreten die Position, dass den Kunden nicht suggeriert werden darf, für den Abschluss einer Versicherung sei keine qualifizierte Beratung erforderlich. Die Kundenzufriedenheit wird ohne eine qualifizierte Beratung deutlich abnehmen. Eine direkt abgeschlossene Versicherung verursacht zunehmend die Auflösung der Kundenbindung, wodurch die Wechselbereitschaft der Kunden steigt. Die Vermittler verfügen hingegen über den Beratungs-Trumpf und pflegen eine persönliche Beziehung zu den Kunden. Sie sind das Bindeglied, ohne das ein Versicherungsunternehmen im digitalen Zeitalter noch schneller von den Kunden ausgetauscht wird.

Wir fordern, dass der Kunde einer direkt abgeschlossenen Versicherung an einen hauptberuflich selbstständigen Berater weitergeleitet werden muss, wenn der Kunde einen Beratungsbedarf äußert. Im Hinblick auf die Ausschließlichkeitsorganisation appelliert der BVK an die Fürsorgepflicht der Versicherungsunternehmen, wenn es um einen gerechten Ausgleich für einen konkurrierenden digitalen Vertriebsweg geht. Schließlich garantiert die Ausschließlichkeit die langfristige Kundenbindung. Dies gilt im Übrigen für alle im BVK organisierten Versicherungskaufleute. Zudem sollen die Versicherungsunternehmen Vermittler als Geschäftspartner auf Augenhöhe in ihre Digitalisierungsstrategie miteinbeziehen.

6. Fazit 

Der überdurchschnittlich qualifizierte und den Leitlinien des „Ehrbaren Kaufmanns“ folgende Vermittler nutzt die Chancen der Digitalisierung im Interesse seiner Kunden. Gleichzeitig bleibt die vertrauensvolle persönliche Beratung unersetzlicher Kernbestandteil bei der Vermittlung von Versicherungen. 

Vermittler müssen an digitalen Effizienzsteigerungen in der Wertschöpfungskette partizipieren, da die IT-Organisation sowie qualifiziertes Personal für den Vermittlerbetrieb Investitionskosten verursachen. Die professionelle Nutzung der Informationstechnologie (IT) sollte für Vermittler obligatorisch sein und als eine große Chance zur Ergebnissteigerung angesehen werden. Der BVK begrüßt vertriebsunterstützende Anwendungen, die Unterbrechung der bisherigen vertrauensvollen Kundenbeziehung durch „disruptive“ digitale Angebote lehnen wir entschieden ab.

Dennoch warnt der BVK ausdrücklich vor der umfassenden Individualisierung von Versicherungsprodukten durch die Versicherungsunternehmen, da dies zu einer Erosion des Versicherungssolidarprinzips führen wird. Beim Direktvertrieb darf nicht suggeriert werden, eine qualifizierte Beratung sei zum Abschluss einer Versicherung nicht erforderlich. Im Hinblick auf die Ausschließlichkeitsorganisation appelliert der BVK an die Fürsorgepflicht der Versicherungsunternehmen, wenn es um einen gerechten Ausgleich für einen konkurrierenden digitalen Vertriebsweg geht, denn die Ausschließlichkeit ist, wie im Übrigen alle im BVK organisierten Versicherungskaufleute, der Garant für die Kundenbindung.

Verabschiedet durch die Mitgliederversammlung des BVK
Berlin, den 19.05.2016